Gott lässt grüssen...
"Diese Geschichte ist vor einigen Jahren passiert: Angelo Stipinovic, Pfarrer in Viernheim, schickte eine Mail an ein älteres Ehepaar aus der Gemeinde, weil er einen Termin bestätigen wollte. Und er unterschreib seine Mail mit "glg", bei Mails ein durchaus gebräuchliche Abkürzung für "Ganz liebe Grüsse". Das Ehepaar hatte damals noch nicht so viel Erfahrung mit Mails – und war deshalb auch mit dem Kürzel nicht vertraut. So sassen die beiden am Abend vor dem Computer und rätselten, was denn "glg" bedeuten könnte. Und fanden schliesslich die Lösung: Wenn diese Mail vom Pfarrer kommt, dann kann es nur heissen "Gott lässt grüssen"!"
Kleingeld
"Es ist irgendwie seltsam – manchmal sammelt es sich im Geldbeutel regelrecht an, dann wieder kann man auf die Frage der Kassiererin, ob man 'es denn klein hätte?' nur hilflos die Schultern zucken.
Kleingeld kann wichtig sein. Der Hundert-Euro-Schein im Portemonnaie ist ganz beruhigend, aber er hilft mir weinig, wenn ich nachts mein Auto aus dem Parkhaus holen will. Und da finde ich auch keinen, der mir dann den Schein noch wechselt.
Kleingeld kann zählen. Ich habe ein Sparschwein, in das immer dann eine entsprechende Münze hinein wandert, wenn ich billig getankt habe, es die Butter im Sonderangebot gab, ich einen Brief persönlich mitgeben konnte und keine Briefmarke drauf kleben musste. Da kommen schon mal 80 Euro zusammen – und die finanzieren dann die Abendessen beim nächsten Kurzurlaub.
Auch im Glauben gibt es 'grosse Scheine' und 'kleine Münzen'. Das sind die Momente mitten im Alltag, in denen etwas von Gott aufblitzt. Die sind wichtig, und die können zählen, ein kurzes Gebet, die schmale Mondsichel am Himmel, eine Umarmung, das Anzünden einer Kerze.
Wenn ich sie denn wahrnehme und aufhebe und sammle…"
Die Schere
"Irgendwie ist sie nie da, wo man sie grad braucht. Und dauernd sucht man sie. Ist ja eigentlich ganz logisch. In der Regel brauche ich eine Schere, um etwas anderes damit fertigstellen zu können. Ich muss die Schnur für das Paket abschneiden, den Draht, um die Blumen festzubinden, das Sudoku aus der Zeitung ausschneiden, um es für langweiligere Zeiten aufzuheben. Und wenn das getan ist, dann pack ich das Paket fertig, binde die Pflanze an, lese die Zeitung weiter – und vergesse die Schere. Und dann suche ich sie beim nächsten Mal, weil sie eben nicht da liegt, wo sie sonst liegt.
Beim letzten Sonderangebot im Baumarkt habe ich zehn Scheren gekauft und ihnen fünf strategische Standplätze in diesem Haus zu-gewiesen. Und das funktioniert. Zumindest ist eine Schere immer da, wo sie sein sollte. Und mir spart das einiges an Zeit und Ärger über mich selbst.
Zum Glück muss ich Gott keinen strategischen Standplatz in meinem Leben zuweisen. Er ist da, wo ich ihn brauche – und wenn ich ihn suche, lässt er sich auch finden, egal ob in der Garage, im Keller oder in der Küche. Wer nachlesen mag: Jeremia 29,13."
Koffer
"Ich habe grad mal durchgezählt… – Ich habe fünf verschiedene Koffer. Und die sind durchaus alle im Gebrauch. Da gibt es den kleinen Koffer für 'zweimal übernachten', den Koffer für 'Wochenkurse' und den grossen 'Flugkoffer', der schon sechzehn Jahre alt ist. Und einen kleinen 'Flugkoffer' und noch so eine Zwischengrösse für sieben oder acht Tage. Denn je nachdem, wie lange ich unterwegs bin, muss ich unterschiedlich viel mitnehmen – und ein Koffer im Flieger muss anderes aushalten können als ein Koffer im Auto. Das, was ich einpacken will, und die Art und Weise, wie ich reise, entscheidet darüber, welchen Koffer ich aus dem Keller hervorhole.
Und es könnte sein, dass dies auch für das Leben gilt. Für kleine Dinge brauche ich nicht unbedingt eine grosse Verpackung – und etwas Grosses und Wichtiges krieg ich nicht in einem kleinen Rahmen unter.
Inhalt und Verpackung müssen zueinander passen.
Und das gilt wohl auch für unseren Glauben.
Deshalb ist eine Monstranz, die den Leib Christi trägt, in der Regel aus Gold – denn sie birgt Wichtiges. Deshalb ist bei hohen Festtagen Weihrauch angesagt. Und aus dem Grund wurden die Barockkirchen so grosszügig ausgemalt und ausgestattet.
Aber vielleicht gilt es andersherum auch: Wenn Gott sich 'kleinmacht', um in unser Leben hineinzupassen, dann finde ich ihn auch dort, wo es klein, schäbig und erbärmlich zugeht.
Vielleicht find ich ihn gerade dort?
Mag sein, dass es darauf ankommt, welchen Gott ich suche."
(aus: Andrea Schwarz, Gott lässt grüssen. 52 Entdeckungen. Patmos Verlag 2016)