7. Ostersonntag, 24. Mai 2020
1. Lesung: Apostelgeschichte 1, 12 – 14
Evangelium: Johannes 17, 1 – 11a
Als Jesus in den Himmel aufgenommen war, kehrten die Apostel vom Ölberg, der nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück. Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben: Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, der Zelot, sowie Judas, der Sohn des Jakobus. Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern. (Apg 1, 12 – 14)
Im letzten Jahrhundert hat der dänische Philosoph Sören Kierkegaard mit dem folgenden Bild die Christen und ihre Sonntagsgottesdienste kritisiert: Sie sind wie Gänse, die auf einem Hof leben. Sie haben zwar Flügel, aber sie fliegen nicht. An jedem siebten Tag treffen sie sich. Ein Gänserich schnattert seine Predigt und spricht über die Berufung der Gänse, nämlich dass sie Flügel haben und fliegen können. Er erzählt von den Taten der Vorfahren, die einst zu fliegen wagten, und preist die Barmherzigkeit Gottes, der den Gänsen das Fliegen schenkte. Die Gänse sind gerührt, senken ergriffen die Köpfe und loben die Predigt. Dann watscheln sie wieder heim, zum Mittagsmahl. Was sie jedoch nicht tun, ist: fliegen. Warum auch, denn das Korn, das sie am Boden finden, ist ja gut, und der Hof ist sicher.
Der Vorwurf, der hinter diesem Bild steckt, ist offensichtlich: Im Gottesdienst reden die Christen zwar über die frohe Botschaft Jesu, sie loben Gott dafür, dass er die Menschen liebt, sie reden von Nächstenliebe und einer besseren Welt. Aber in ihrem Leben, in ihrem täglichen Verhalten ändert sich nichts. Es geht um den Vorwurf eines reinen "Sonntagschristentums", das nichts mit dem Alltag zu tun hat – ein Vorwurf, der ja auch heute häufig zu hören ist. Ich meine, wir sollten diesen Vorwurf ernst nehmen, und es lohnt sich, einmal genauer darüber nachzudenken, wie es denn bei mir persönlich mit dem Zusammenhang von Gebet und Gottesdienst einerseits und dem täglichen Leben andererseits aussieht.
Schauen wir zuerst nochmals auf die Jünger und Jüngerinnen Jesu, von denen die Lesung berichtet. Auf den ersten Blick hat es den Anschein, der Vorwurf würde auch auf sie zutreffen: Anstatt mutig unter die Leute zu gehen und die Botschaft Jesu zu verkünden, bleiben sie im "Obergemach" eines Hauses in Jerusalem, also zurückgezogen vom sonstigen Leben der Stadt, um dort gemeinsam zu beten. Haben also auch sie es nicht gewagt, ihre Flügel zu benutzen und zu fliegen, so wie Jesus es ihnen vorgelebt hat? Ein Blick auf ihr weiteres Leben zeigt jedoch das Gegenteil: Ohne Angst vor Bestrafung und Verfolgung bekennen sie mutig ihren Glauben. Gegen alle Widerstände verkünden sie die Botschaft Jesu, dass Gott jeden Menschen liebt, die Botschaft von einem anderen, einem menschlicheren Umgang miteinander. Niemand konnte sie mehr davon abhalten, diese Botschaft auch anderen weiterzugeben. Sie sind geflogen, haben nicht das Leben am Boden gewählt, obwohl dies vielleicht einfacher und bequemer gewesen wäre. Doch wenn sie es nicht gewagt hätten zu fliegen, dann hätten sich andere Menschen ihnen nicht anschliessen können, und dann wüssten auch wir heute nichts von Jesus und seiner Botschaft. Woher aber hatten sie die Kraft und den Mut zu fliegen und dabei Schwierigkeiten zu ertragen, ja sogar ihr Leben zu riskieren?
Ich glaube, die Zeit des Zurückgezogenseins, die Zeit des gemeinsamen Gebets hat dabei eine grosse Rolle gespielt: Erstens haben die Jünger erkannt, was für sie richtig und wichtig ist zu tun. In der Stille und im Gebet sind sie in irgendeiner Form dem auferstandenen Christus begegnet und erkannten dabei den für sie richtigen Weg. Zweitens wurde ihnen Mut und Kraft für diesen Weg geschenkt. Sie wurden von Gott "begeistert", ein Ereignis, das wir an Pfingsten feiern. Und drittens haben sie ihre gegenseitige Gemeinschaft in einer neuen, vertieften Weise erlebt: Sie alle, die Männer und Frauen, die eng mit Jesus verbunden waren, "verharrten dort einmütig im Gebet", wie es in der Apostelgeschichte heisst. Das bedeutet sicher nicht, dass alle Spannungen und Schwierigkeiten, die überall auftreten, wo Menschen zusammen sind, plötzlich verschwunden waren. Aber trotzdem erlebten sie gerade im gemeinsamen Gebet eine Form von Gemeinschaft, die ihnen Halt und Kraft, Zuversicht und Vertrauen gab. Sie spürten, dass sie nicht allein auf dem Weg sind.
Es hatte also durchaus seinen tieferen Sinn, wenn sich die Jünger und Jüngerinnen nicht sofort nach Jesu Auferstehung und Himmelfahrt in die Tätigkeit des Missionierens stürzten. Vor dem Tun, vor den Aktivitäten gönnten sie sich zunächst eine Zeit der Stille – vor Gott und miteinander.
Und wie steht es nun mit uns? Auch wir haben den Auftrag, die Botschaft Jesu zu bezeugen. Und ein Blick in unsere Welt zeigt: Sie hat diese Botschaft, sie hat mehr Menschlichkeit und Liebe bitter nötig! Sie hat Christen nötig, die mutig ihre Flügel aufspannen und fliegen.
Die Botschaft Jesu zu bezeugen ist jedoch häufig alles andere als einfach und bequem. Oft ist es nötig, gegen den Strom zu schwimmen, sich angreifbar zu machen, auch mal den Kürzeren zu ziehen. Und wir wären damit sicher weit überfordert, wenn wir uns nicht auch – wie die Jünger damals – immer wieder Zeiten der Sille, des persönlichen Gebetes und des gemeinsamen Gottesdienstes gönnen dürften; nicht weil dies irgend jemand von uns verlangt, sondern weil sie unser Leben bereichern. Auch für Jesus – dies macht das nicht ganz einfache Abschiedsgebet aus dem heutigen Evangelium deutlich – war das Gebet die Grundlage seines Wirkens, die Kraftquelle, aus der er lebte. Und so soll und kann auch unser Gebet immer mehr zur Grundlage unseres Tuns werden. Beten besteht ja nicht nur darin, lange Gebete aufzusagen. Beten heisst auch, sich und sein Leben, all seine Erlebnisse, Freuden, Sorgen und Probleme vor Gott zu bringen, seine Entscheidungen nicht allein zu treffen, sondern vor Gott zu bedenken. Beten kann darin bestehen, einfach eine Zeitlang still vor Gott zu sein, hinzuhören, was er mir sagen möchte, offen und aufnahmebereit sein, ohne mich von allen möglichen Dingen, die sonst meinen Alltag bestimmen, ablenken und vereinnahmen zu lassen. Hier kann ich dann vielleicht von Neuem Gottes Zusage spüren: "Ich bin bei dir und begleite dich bei deinen täglichen Aufgaben und Problemen." Hier kann ich Kraft und Mut für den Alltag, Anregungen und Hilfen für mein Leben und den Umgang mit meinen Mitmenschen erhalten. So sind Gebet und Gottesdienst nicht mehr etwas Weltfremdes und Abgehobenes, das ich schon wieder vergessen habe, wenn ich die Kirche verlasse, sondern etwas, das mit meinem Leben zu tun hat, das mich nicht nur am Sonntag, sondern auch während der Woche begleitet. Dann sind Gebet und Gottesdienst nicht eine Pflicht, sondern etwas, das mir wertvoll ist, weil es mir hilft, meine Flügel auszubreiten und zu fliegen, weil es mir hilft, ganz Christ, ganz Mensch zu sein.
Gabi Suhner
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7. Ostersonntag - Fürbitten
Wie Jesus beten auch wir und wenden uns voller Hoffnung und in gläubigem Vertrauen an unseren guten Gott:
Für alle, die in diesen Tagen mutlos und resigniert sind, keine Zukunftsperspektive haben und nichts Positives in ihrem Leben mehr erwarten.
Für alle, die in Politik und Wirtschaft Verantwortung tragen und für die Mitglieder in den Krisenstäben, die Verordnungen erlassen.
Für alle, die "fliegen", die ihren Glauben in Wort und Tat leben, die sich engagieren und auch angesichts von Rückschlägen nicht resignieren.
Für diejenigen, die immer wieder im stillen Gebet die Anliegen ihrer Mitmenschen vor Gott hintragen.
Für uns alle: dass wir aus Gebet und Gottesdienst immer wieder jene Kraft schöpfen, die wir brauchen, um dich und deine Liebe mit unserem Leben zu bezeugen.
Ewiger Gott, du kennst uns besser als wir uns selbst. Du schaust in unser Herz. Nimm unser Gebet an und lass es zum Segen für uns und andere werden:
Vater unser im Himmel…
In der Predigt erwähnte ich Sören Kierkegaard und erzählte seine Geschichte von den Gänsen, die nur am Boden bleiben. Im folgenden Text, den ich Ihnen als Anregung für die nächste Woche mitgeben möchte, beschreibt Kierkegaard, was für ihn Beten bedeutet.
Als mein Gebet
immer andächtiger und innerlicher wurde,
da hatte ich immer weniger zu sagen.
Zuletzt wurde ich ganz still.
Ich wurde,
was womöglich noch ein grösserer Gegensatz
zum Reden ist,
ich wurde ein Hörer.
Ich meinte erst, Beten sei Reden.
Ich lernte aber,
dass Beten nicht bloss Schweigen ist,
sondern Hören.
So ist es:
Beten heisst nicht sich selbst reden hören.
Beten heisst:
Still werden und still sein und warten,
bis der Betende Gott hört.
Sören Kierkegaard
6. Ostersonntag, 17. Mai 2020
1. Lesung: Apostelgeschichte 15, 1 – 2. 22 – 29
Evangelium: Joh 14, 23 – 29
In jener Zeit sprach Jesus zu den Jüngern: Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. Wer mich nicht liebt, hält an meinen Worten nicht fest. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht. Ihr habt gehört, daß ich zu euch sagte: Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück. Wenn ihr mich lieb hättet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich. Jetzt schon habe ich es euch gesagt, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt. (Joh 14, 23 – 29)
"…für den trostreichen Beistand danken wir dem Arzt, dem Pflegepersonal, dem Pfarrer, den Arbeitskollegen, den Nachbarn…". So oder ähnlich lesen wir manchmal in Danksagungen in unseren Zeitungen. Angehörige bedanken sich auf diese Art öffentlich für den Beistand, den sie in den Tagen und Wochen nach dem Tod eines Familienmitgliedes erfahren durften. Beistand, z. B. Rechtsbeistand, brauchen auch Menschen, die in einen Gerichtsfall verwickelt sind. Sie brauchen Sachkundige, die sich in den Gesetzesparagraphen auskennen und die ihnen in einer ungewohnten Lebenssituation beistehen. Auch wer im Umgang mit Ämtern und Behörden ungeübt ist, kann Hilfe und Beistand brauchen. Zum Beispiel beim Ausfüllen von Formularen, beim Gespräch mit Beamten. All diese Menschen sind froh, in einer schwierigen Situation oder bei persönlicher Unerfahrenheit und Unsicherheit einen "Beistand" zu haben, jemanden, der zu einem steht: sachkundig, verständnisvoll, mitfühlend.
Jesus hat im Evangelium seinen Freunden seinen Beistand, den Hl. Geist versprochen. Er soll sie lehren und sie an alles erinnern, was Jesus gesagt hat. Der Geist Gottes soll ihnen beistehen. Mit seiner Hilfe, mit seinem Beistand, sollen sie die Botschaft Jesu weitergeben in Wort und Tat. Sie sollen nicht verbittert, nicht ängstlich und mutlos werden. Tatsächlich erzählt uns die Bibel, wie nach der Auferstehung Jesu aus diesen anfänglich so ratlosen und verängstigten Jüngern mutige Zeugen geworden sind, die für ihre Botschaft alles gegeben, zum Teil sogar ihr eigenes Leben hingegeben habe. Das Wirken des Beistands war nicht mehr zu übersehen.
Doch nicht immer in der über zweitausendjährigen Geschichte des Christentums war das Geistwirken so offensichtlich. Von allem Anfang an waren die Christen auch der Bedrängnis, der Unterdrückung und der Verfolgung ausgesetzt. Durch alle Jahrhunderte zweifelten Menschen am Glauben, an Jesus, an seiner Botschaft. Und die heutige Lesung macht klar, dass Auseinandersetzungen und Streit in Glaubensfragen, das Nicht-einig-Sein von verschiedenen Strömungen in der Auslegung der Botschaft und des Tuns von Jesus nicht erst eine Erscheinung der heutigen Zeit sind. Und doch ist gerade auch in diesen dunklen Zeiten immer wieder der Beistand, der Heilige Geist wirksam geblieben: beim einzelnen Menschen vielleicht in der unerwarteten Versöhnung, in einem guten Rat oder einem auf-munternden Wort, das weiterhilft, oder in der Einsicht, dass man nicht aufgeben darf, weil da etwas ist, was wertvoll ist, was erhalten werden soll; und in der Kirche als Ganzes doch letztlich in der Tatsache, dass die Botschaft Jesu bis heute weitererzählt und weitergelebt wurde – allen Widerwärtigkeiten und Widerständen zum Trotz!
Und das ist bis heute nicht anders. Auch heute wirkt der Beistand, der Heilige Geist, in vielen Menschen innerhalb und ausserhalb der Kirche. Allerdings wird dieser Beistand oft übersehen, weil er sehr unscheinbar ist. Auffälliger ist schon das Ergebnis, das durch seinen Anstoss entstanden ist. Da kommt man manchmal sogar richtig ins Staunen! Dieser Beistand, dieser gute Geist ist überall da sichtbar oder unsichtbar am Werk, wo etwas geschieht, das dem Leben dient. Da muss es nicht immer nach Kirche und Weihrauch riechen. Dieser Beistand ist so sehr in unserer Welt mittendrin, dass man nicht genau sagen kann, wo er gerade wirkt – aber er ist da. Gerade die vergangenen Wochen haben mir dies eindrücklich gezeigt. Ich denke dabei an so viele Beispiele von Nachbarschaftshilfe und Assistenzdiensten; ich denke an Kinder und Jugendliche, die mit Briefen und Bastelarbeiten die Bewohner und Bewohnerinnen in Altersheimen erfreuten; ich denke an Frauen und Männer, die Alleinstehende mit einem Telefonanruf beglückten… und vieles mehr, was Licht, Hoffnung und Zuversicht schenkte in einer Zeit der Einsamkeit, der Verunsicherung und der Angst.
Natürlich würde ich mir wünschen, dass dieser Beistand noch viel mehr in unserer Welt bewirkt – und auch dann, wenn wir wieder in die "Normalität" zurückgekehrt sind. Gleichzeitig muss ich aber beschämt zugeben, dass ich auch nicht immer allen Anstössen dieses Geistes folge. Und wenn ich es tue, ist es oft nur ein Strohfeuer, eine einmalige Aktion. Sicher, das ist besser als nichts, aber doch nicht genug.
Es wäre in meinen Augen darum gut, wenn wir alle uns immer wieder aufmerksam fragen, wo wir selber als Beistand gewünscht und gefragt sind. Auch durch uns kann und soll der Geist Gottes, der Heilige Geist erfahrbar werden – meistens nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit, sondern im ganz gewöhnlichen Alltag; dort, wo es gilt, Trauernden, Einsamen oder in Not geratenen Menschen beizustehen; dort, wo Menschen den Anforderungen des Alltags gegenüber hilflos sind.
In seiner Abschiedsrede hat Jesus seinen Freunden seinen Beistand, den Heiligen Geist versprochen, und bis heute sind wir, ist unsere Welt auf diesen Beistand angewiesen. Vergessen wir nicht, dass der Beistand Gottes auch durch uns wirksam werden will! Jesus sagt: "Der Vater im Himmel wird den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten." Ja, bitten wir um diesen Geist, um diesen Beistand, denn diesen Schrittmacher der Nächstenliebe können wir alle sehr gut gebrauchen!
Gabi Suhner
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6. Ostersonntag - Fürbitten
Gütiger Gott, bei seinem Abschied von der Welt hat Jesus uns einen Beistand verheissen, der immer bei uns bleibt. Im Vertrauen auf ihn bitten wir dich:
Für alle, die durch die Pandemie leiblich oder seelisch zu leiden haben oder sich sonst in Grenzsituationen des Lebens befinden: Dass ihnen Menschen beistehen, die sie in schwerer Zeit begleiten.
Für die Mitglieder in den Krisenstäben, die Verordnungen erlassen und Sorge für das Gesundheitswesen tragen: Lass sie das Wohl aller Menschen im Blick behalten.
Für alle, die durch die notwendigen Einschränkungen wirtschaftlichen Schaden erleiden: Eröffne ihnen Wege, wie sie diesen erträglich halten können, und lass sie ausreichend Hilfe finden.
Für alle, die sich in der gegenwärtigen Situation von den Verordnungen zur Eindämmung der Pandemie eingeengt fühlen. Gib ihnen Verständnis und Einsicht in das Notwendige.
Für uns alle: Stärke uns durch deinen Heiligen Geist, der uns in der Taufe zugesagt worden ist, und lass uns in Wort und Tat deine Liebe bezeugen.
Ewiger Gott, Jesus hat uns deine Liebe zugesagt. Bei dir finden wir Leben, Geborgenheit und Hoffnung:
Vater unser im Himmel…
5. Ostersonntag, 10. Mai 2020
Predigt zum 5. Ostersonntag
1. Lesung: Apostelgeschichte 6, 1 – 7
2. Lesung: 1 Petrus 2, 4 – 9
Evangelium: 14, 1 – 12
Brüder und Schwestern, kommt zu ihm, dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und geehrt worden ist! Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen.
Denn es heißt in der Schrift: Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten Stein, einen Eckstein, den ich in Ehren halte; wer an ihn glaubt, der geht nicht zugrunde.
Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat. (1 Petr 2, 4 – 5a. 6. 9)
Haben Sie schon einmal ein junges Paar direkt nach dem Einzug in die erste gemeinsame Wohnung beobachtet? Es braucht seine Zeit, bis aus den zwei Einzelpersonen eine Gemeinschaft geworden ist und die Wohnung sich mit echtem Leben füllt. Der Text aus dem Petrusbrief erinnert mich ein wenig an solche Entwicklungsschritte. Mit der Kirche verhält es sich nämlich ganz ähnlich. An vielen Stellen in der Heiligen Schrift wird sie als Haus dargestellt. Die Kirche ist das Haus Gottes, ein Haus, in das wir nicht nur eingeladen sind, ein Haus, für das wir selber lebendige Steine sein sollen. Wir alle bilden gemeinsam den Bau der Kirche. Gott selber ist der Bauherr, und er hat seinen eigenen Sohn als tragenden Eckstein eingesetzt.
Wir alle also, Sie und ich, Jung und Alt – wir alle sind Kirche. Kirche ist, wo Menschen in Gemeinschaft feiern, Gott danken und loben. Kirche ist, wo Menschen auf das Wort Gottes hören. Kirche ist, wo die Menschen, die nebeneinander in den Bänken sitzen, spüren, dass sie eine gemeinsame Hoffnung, ein gemeinsamer Glaube verbindet, der sie in Verantwortung nimmt füreinander – auch über den Kirchenraum hinaus. Gott braucht kein Kirchengebäude, damit sein Wort hier auf Erden gehört und verstanden wird. Gott ist da zuhause, wo die Traurigen getröstet, die Belasteten verstanden und die Niedergedrückten aufgerichtet werden. Kirche lebt, wo Menschen begreifen, dass sie als getaufte Christen eine Gemeinschaft bilden, in der jede und jeder Verantwortung trägt und jede und jeder auch das Recht hat, seine Ideen und Beiträge einzubringen. Zuerst will und soll dies v.a. in der "Kirche vor Ort" passieren – in unseren Pfarreien und Kirchgemeinden. Hier können wir etwas verändern, hier können wir Einfluss nehmen, hier können wir etwas bewegen und beitragen zu einer lebendigen Kirche. Hier unter uns kann Einsamkeit überwunden werden, wenn wir aufeinander zugehen. Hier können wir zeigen, dass wir nicht auf Kosten anderer leben, sondern für andere da sind, indem wir eben nicht zuerst fragen: "Was bekomme ich dafür? Was bringt es mir?", sondern einfach unseren Dienst anbieten, mitdenken, mithelfen, mitarbeiten. Wenn es uns gelingt, das, was wir in unseren Gottesdiensten beten und singen, auch draussen vor der Kirchentüre ernst zu nehmen und umzusetzen; wenn es uns gelingt, Gott auch die anderen sechs Tage der Woche nicht zu vergessen und bei unserem täglichen Umgang miteinander oder auch in politisch- gesellschaftlichen Diskussionen in seinem Geist zu entscheiden und zu handeln – dann lebt Kirche.
Wenn Sie selbst schon einmal gebaut haben, dann kennen Sie die Erfahrung: Im Grunde genommen wird man nie richtig fertig. Es gibt immer etwas zu tun, zu verändern, zu verbessern. Genauso ist es mit der Kirche: Das Haus aus lebendigen Steinen, das Gott sich erbaut hat, ist und bleibt eine Baustelle, eine "Dauer-Baustelle". Das Baumaterial, das gebraucht wird, sind einzelne Steine – nicht tote und kalte Steine, sondern lebendige Steine; Menschen wie Sie und ich, die zwar auch Ecken und Kanten haben, die aber bereit sind, mit ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten mitzuarbeiten und kreativ nach einem Bauplan für ein gutes Miteinander zu suchen.
Wir alle wissen es: Es gibt auf der Baustelle Kirche noch viel zu tun. Aber vielleicht können uns ja die "Kirchenträume" eines unbekannten Verfassers ein wenig in unserer Kreativität beflügeln:
Gott, ich träume von einer Kirche,
die immer neue Wege zu den Menschen sucht und erprobt mit schöpferischer Fantasie,
die die Frohe Botschaft frisch und lebendig hält.
Ich träume von einer Kirche,
die offen ist für das Anliegen Christi und sich deshalb interessiert für das Leben der Menschen und für die Erneuerung der Welt im Geiste Jesu.
Ich träume von einer Kirche,
die eine Sprache spricht, die alle verstehen, auch Kinder und Jugendliche,
in der sich auch die Jugend spontan und lebendig ausdrücken kann,
die Raum lässt für Initiativen und Mitentscheidung.
Ich träume von einer Kirche,
die prophetisch ist und die ganze Wahrheit sagt,
die Mut hat, unbequem zu sein und die unerschrocken das Glück der Menschen sucht.
Ich träume von einer Kirche,
die Hoffnung hat, die an das Gute im Menschen glaubt
und die gerade in einer Welt voller Furcht und Verzweiflung
voll Freude auf Gottes Führung baut.
Und lassen Sie mich doch noch ein paar persönliche Träume anfügen:
Ich träume von einer Kirche, die es mit Erich Kästner hat: "Es gibt nichts Gutes. Ausser man tut es."
Ich träume von einer Kirche mit der Sprachpoesie von Kurt Marti: "Dass Gott ein Tätig-keitswort werde." – Ein tätiges Christentum liegt mir sehr am Herzen.
Ich träume von einer Kirche in der Nachfolge Jesu: "Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen." (Mt 7, 12)
Ich träume von einer Kirche, die den Menschen dieser Welt Hoffnung verkündet und bezeugt, weil sie sich von ihrem Eckstein Jesus Christus getragen weiss und bewegen lässt, auch anderen den Weg zu ihm zu zeigen.
Nur so – das ist meine tiefe Überzeugung – sind wir als Kirche glaubwürdig, nur so sind wir auch für Laue und Uninteressierte, für Kritiker und Nörgler ein Hoffnungszeichen, das sie spüren lässt: Das ist eine Kirche, die lebt und Charme hat; kein totes Gebäude, sondern eine Kirche, die Wärme ausstrahlt, ein einladendes Haus, das offen ist für alle.
Gabi Suhner
Ich freue mich schon heute auf den Tag, an dem wir in unseren Gotteshäusern in Wängi und Matzingen uns wieder um unsere Mitte Jesus Christus versammeln, unsere Hoffnung miteinander feiern und uns durch sein Wort und sein Brot stärken lassen dürfen für unser gemeinsames Kirche-Sein im Alltag!
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5. Ostersonntag - Fürbitten
Herr, unser Gott, du wohnst nicht in einem Tempel aus kalten Steinen, sondern in einem Haus, das lebt. Du hast deine Kirche gegründet, damit sie deine befreiende und froh-machende Botschaft verkündet. Wir bitten dich:
Gott, wir sind lebendige Steine im Haus deiner Kirche, dessen Eckstein Jesus Christus ist. Manchmal aber liegen wir schief oder nicht mehr richtig, weil wir nur an uns denken. Lass uns nicht vergessen, dass du uns brauchst zum Aufbau einer lebendigen Gemeinde.
Jesus hat gerne Feste gefeiert und Gemeinschaft gepflegt. Wir möchten bitten für alle, die durchs Leben hetzen und keine Zeit füreinander haben, für alle, deren Leben eintönig und ohne Freude ist. Lass sie glaubhaften Christen begegnen, die Freude und Hoffnung ausstrahlen und sich Zeit nehmen, um miteinander Feste der Freude zu feiern.
Die Geschichte der Kirche in unserem Land ist geprägt durch das Wirken kirchlicher und weltlicher Kräfte. Schenke allen Menschen, die heute in Politik und Kirche Verantwortung tragen, deinen Geist, damit ihre Entscheidungen Zukunft eröffnen für alle Menschen.
Viele Aktivitäten in unseren Kirchgemeinden sind ohne das Engagement vieler Ehrenamtlicher nicht denkbar. Lass uns dankbar sein für diese Menschen, die etwas bewegen – zum Wohl des täglichen Miteinanders.
Schenke den Verantwortlichen in unseren Diözesen deinen Geist, damit sie gute Wege finden, um den Probleme der heutigen Zeit zu begegnen.
Guter Gott, im Vertrauen auf dich wollen wir uns den Problemen der Gegenwart stellen. Lass uns in Wort und Tat Zeichen der Hoffnung setzen, damit dein Wille geschehe und dein Reich komme.
Vater unser im Himmel…
4. Ostersonntag, 3. Mai 2020
1. Lesung: Apostelgeschichte 2, 14a. 36 – 41
2. Lesung: 1 Petrus 2, 20b – 25
Evangelium: Joh 10, 1 – 10
Der 4. Ostersonntag wird in der Liturgie der Kirche auch Guthirt-Sonntag genannt. Dieser Name geht auf das 10. Kapitel des Johannesevangeliums zurück, in dem sich der Evangelist ganz in das Bild des Hirten vertieft. Für ihn ist der auferstandene Christus der Gute
Hirte, der mit dem Menschen in eine Beziehung treten will.
Jesus Christus, der gute Hirte, und wir Christen seine Schafe, die ihm nachfolgen. Wie geht es Ihnen mit diesem Bild?
Mir persönlich bereitet es keine Schwierigkeiten, mich als Schaf in der grossen Herde des einen guten Hirten zu verstehen – im Gegenteil: Jesus nachgehen, von ihm geführt werden, in seiner Nähe sein, von ihm behütet und beschützt werden, daran glauben, dass er mich kennt und dass er sein Leben für mich einsetzt – das sind Wünsche, die ich habe, und Ziele, die ich erreichen möchte.
Ich denke, die Schwierigkeit, die viele Menschen heute mit dem Bild vom Hirten und der Herde haben, liegt daran, dass sie in ihm v.a. den Akzent der Führung und Leitung sehen, und in der Kirche verbinden sie diese Aufgaben in erster Linie mit dem Amt, mit den Priestern und Bischöfen – unseren Hirten und Oberhirten. Es ist darum wichtig, das Hirtenbild in seiner Ganzheit anzuschauen.
Es stimmt, der Hirt geht seiner Herde voran. Er muss sie nicht von allen Seiten unter Kontrolle haben oder von hinten mit einer Peitsche antreiben. Zwischen dem Hirten und den Schafen herrscht ein einzigartiges Vertrauensverhältnis. Er ruft sie beim Namen, und die Schafe kennen seine Stimme. Der gute Hirt ist verlässlich und führt die Schafe auf die Weide, an den Ort, wo sie sorglos grasen können und Nahrung finden. Der gute Hirt geht durch die Türe in den Stall hinein, er kommt nicht heimlich oder überfällt die Schafe, so dass sie in Unsicherheit leben müssen. Auch den Gefahren stellt sich der Hirt. Er kann zwar gefahrvolle Situationen nicht immer verhindern, er wir aber so gut als möglich versuchen, sie zu überwinden.
So gesehen bedeutet also der Hirt für seine Herde letztlich nichts anderes als Leben.
Im Johannes-Evangelium braucht Jesus das Bild des Hirten und überträgt es auf sich selber. Sein ganzer Lebensweg ist der Weg eines treusorgenden Hirten. Er kümmert sich um seine Mitmenschen, jeder und jede ist ihm wichtig, er gibt sich mit allen Menschen ab – auch mit jenen, die nicht zu seinen "Stall" gehören.
Ein paar Beispiele sollen diese These belegen: Der Gelähmte am Teich, der Blinde von Jericho, die gekrümmte Frau – sie spüren: Von Jesus geht heilende Kraft aus, die ihnen neues Leben schenkt. Zöllner, Sünder, Aussenseiter, die am Rand der Gesellschaft leben: Von den Menschen erleben sie Verurteilung, Ausgrenzung, verächtliche Blicke, abwertende Bemerkungen. Jesus aber begegnet ihnen mit Verzeihen und Ermutigung. Er glaubt an das Gute in ihnen. Sie leben auf, fangen wieder neu an. Lazarus, der Jüngling von Nain, die Tochter des Jairus – Jesus holt sie aus dem Tod. Zeichenhaft wird an ihnen deutlich: Menschen, die Jesus begegnen, gewinnen neues Leben.
Jesus ist der Hirt, der seinen Mitmenschen Leben schenkt und so das Hirtenbild zu einem sprechenden Symbol für die Fürsorge und Liebe Gottes zu den Menschen macht.
Und genau hier möchte ich einhaken und fragen: Könnten, ja müssten wir denn nicht alle Hirten füreinander sein? Hirten nach dem Vorbild des einen guten Hirten?
Füreinander Hirten sein – das heisst: Jeder Mensch ist ein natürlicher Seel-Sorger, eine natürliche Seel-Sorgerin, und kann sich in andere einfühlen und an ihrem Leben Anteil nehmen. Jeder Mensch ist als Mitmensch geboren und kann anderen beistehen und sie begleiten, wenn sie es brauchen.
Füreinander Hirten sein – eine Fülle von Möglichkeiten, diesem Ziel näher zu kommen, finde ich in Psalm 23. Was Gott als Hirte an uns tut, das können wir durch unser Tun aneinander bekräftigen.
Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen. Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht. Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl, du füllst mir reichlich den Becher. Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit. (Ps 23)
Füreinander Hirten sein – in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit – das wäre nach diesem Psalm:
- Einander auf grünen Auen lagern lassen und zum Ruheplatz am Wasser führen – das heisst: einander aufatmen lassen, füreinander Zeit haben, einander zuhören, geduldig miteinander umgehen.
- Einander das Verlangen stillen – das Verlangen nach einem wohltuenden, tröstenden Wort; das Verlangen nach einem aufmunternden Blick und einer helfenden Hand.
- Einander auf rechten Pfaden leiten – das heisst: einander Wege zeigen, auf denen man gut und sinnvoll leben kann; nicht einen Weg aufzwingen, sondern zu einem Weg ermutigen und einladen.
- Einander begleiten in finsterer Schlucht – wenn einer nicht mehr durchsieht; wenn kein Ausweg mehr möglich scheint; wenn Trauer und Krankheit sich wie ein unüberwindlicher Fels in den Weg stellen.
- Einander sagen: Ich bin bei dir – ich weiss, wie es um dich steht; ich leide mit; ich versuche, deine Last mitzutragen.
- Einander den Tisch decken, das heisst: Gastfreundschaft pflegen; einander besuchen und einander zum Brot, zur Nahrung und zur Kraftquelle werden.
Ja, ich wünsche mir einen Platz in der Herde des guten Hirten – und Gemeinschaften und Pfarreien, in denen wir immer mehr füreinander Hirten werden, Hüterinnen und Hüter für unsere Mitmenschen. Und ich wünsche uns allen eine Schafsgeduld auf dem Weg zu solchen geschwisterlichen Pfarreien und Gemeinschaften.
Gabi Suhner
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4. Ostersonntag - Fürbitten
Jesus Christus, verspricht uns ein Leben in Fülle, wenn wir ihm vertrauen und ihm folgen.
Er will unser guter Hirt sein und darum dürfen wir ihn auch heute bitten für alle, die uns am Herzen liegen:
Für alle, die in dieser Zeit verunsichert sind und sich um ihre eigene Gesundheit oder die ihrer Angehörigen Sorgen machen: Lass sie spüren, dass sie nicht allein gelassen sind, dass viele Menschen ihre Sorgen teilen und bereit sind, ihnen zu helfen.
Für alle, die durch die Pandemie in wirtschaftliche Not gestürzt sind, die sich Sorgen um ihre persönliche wirtschaftliche Zukunft oder um die wirtschaftliche Zukunft ihres Betriebes machen: Eröffne ihnen Wege, wie ihnen geholfen werden kann und stärke ihre Zuversicht in einen Neuanfang.
Für alle Frauen und Männer, die sich in der Kirche engagieren, die Gottes Wort verkünden und Suchenden Antworten aus ihrem persönlichen Glauben geben: dass sie ihre Aufgaben achtsam und glaubwürdig erfüllen.
Für alle, die ein Hirtenamt ausüben: für Eltern und Grosseltern, Erziehende und Lehrende, Pflegekräfte und Sozialarbeiter: dass sie den ihnen anvertrauen Menschen respektvoll und wertschätzend begegnen.
Für alle, die sich ausgeschlossen fühlen von der Gesellschaft oder von der Kirche: dass sie auf Menschen treffen, die ihnen eine Tür öffnen und sie dabei unterstützen, ihren Platz zu finden.
Für alle jungen Menschen, denen es nicht gelingt, im täglichen Stimmengewirr die Stimme herauszuhören, die gut für sie ist: dass sie auf Menschen treffen, die sie bei der Suche unterstützen.
Vater unser im Himmel…
3. Ostersonntag, 26. April 2020
1. Lesung: Apostelgeschichte 2, 14. 22b – 33
2. Lesung: 1 Petrus 1, 17 – 21
Evangelium: Lk 24, 13 – 35
Am gleichen Tag waren zwei von den Jüngern auf dem Weg in ein Dorf namens Emmaus, das sechzig Stadien von Jerusalem entfernt ist. Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte. Während sie redeten und ihre Gedanken austauschten, kam Jesus hinzu und ging mit ihnen. Doch sie waren wie mit Blindheit geschlagen, sodass sie ihn nicht erkannten. Er fragte sie: Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet? Da blieben sie traurig stehen, und der eine von ihnen – er hiess Kleopas – antwortete ihm: Bist du so fremd in Jerusalem, dass du als einziger nicht weisst, was in diesen Tagen dort geschehen ist? Er fragte sie: Was denn? Sie antworteten ihm: Das mit Jesus aus Nazaret. Er war ein Prophet, mächtig in Wort und Tat vor Gott und dem ganzen Volk. Doch unsere Hohenpriester und Führer haben ihn zum Tod verurteilen und ans Kreuz schlagen lassen. Wir aber hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde. Und dazu ist heute schon der dritte Tag, seitdem das alles geschehen ist. Aber nicht nur das: Auch einige Frauen aus unserem Kreis haben uns in grosse Aufregung versetzt. Sie waren in der Frühe beim Grab, fanden aber seinen Leichnam nicht. Als sie zurückkamen, erzählten sie, es seien ihnen Engel erschienen und hätten gesagt, er lebe. Einige von uns gingen dann zum Grab und fanden alles so, wie die Frauen gesagt hatten; ihn selbst aber sahen sie nicht.
Da sagte er zu ihnen: Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben. Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen? Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.
So erreichten sie das Dorf, zu dem sie unterwegs waren. Jesus tat, als wolle er weitergehen, aber sie drängten ihn und sagten: Bleib doch bei uns; denn es wird bald Abend, der Tag hat sich schon geneigt. Da ging er mit hinein, um bei ihnen zu bleiben. Und als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen. Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn; dann sahen sie ihn nicht mehr. Und sie sagten zueinander: Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss? (Lk 24, 13 – 35)
Es ist eine Erfahrung, die viele Menschen machen: dass man richtig gut nachdenken oder auch richtig gut miteinander reden kann, wenn man auf dem Weg ist. Man hat Zeit, Lustiges zu bereden, aber auch Schweres.
Zwei Jünger sind von Jerusalem auf dem Weg nach Emmaus, und sie reden intensiv miteinander. Sie tauschen sich über Schweres aus: über all die Dinge, die in den letzten Tagen in Jerusalem geschehen waren. Ihr Freund und Prophet Jesus wurde verraten und verurteilt, gefoltert und ans Kreuz geschlagen. Nun ist er tot und all ihre Hoffnungen scheinen mit ihm gestorben zu sein. Aber immerhin: Sie sind zu zweit unterwegs, sie können miteinander sprechen. Und dann kommt da auch noch ein Dritter dazu. Es ist Jesus, aber sie erkennen ihn erst einmal nicht. Und dieser Unbekannte lässt sich alles noch einmal erzählen. Er stellt sich dumm, könnte man sagen, und hört sich alles noch einmal an: die ganze Katastrophe von Jerusalem.
Die Dinge und die Katastrophen aussprechen dürfen, die schwer auf dem Herzen liegen: Ich glaube, das ist fast der wichtigste Schritt, wenn Menschen miteinander auf dem Weg sind. Wie gut tut es, wenn ich mir Dinge von der Seele reden kann. Wenn ich Trauriges und Schwieriges einfach mal bei jemandem abladen darf. Im Alltag trauen wir uns das ja oft nicht. Es ist ja auch häufig keine Zeit zum Reden. Da hetzen wir von A nach B, mit dem Auto oder dem Bus. Aber wenn wir uns zu Fuss auf den Weg machen, dann brauchen wir nicht nur etwas länger für den Weg – wir haben auch mehr Zeit zum Reden. Auch zum Reden über Dinge, über die wir sonst eher schweigen, die uns sonst zu kompliziert oder zu traurig erscheinen. Und dann braucht es dazu natürlich auch den anderen, den Weggefährten oder die Weggefährtin: einen Menschen, der sich auf all das einlässt, was ich zu erzählen habe. Der mir zuhört.
Wirklich richtig zuhören: Das ist einerseits ziemlich schwer. Denn derjenige, der zuhört, hat ja auch Dinge im Kopf, die ihn beschäftigen. Aber andererseits ist Zuhören auch ganz leicht. Denn ich muss ja selbst gar nicht viel tun, auch nicht möglichst klug antworten. Meistens reicht es nämlich, zu schweigen und einfach da zu sein. Haben Sie das nicht auch schon erlebt, dass ein anderer zu Ihnen gesagt hat: "Vielen Dank fürs Zuhören! Du hast mir so geholfen." Und Sie selber haben sich gefragt: "Was habe ich denn getan? Ich konnte ja gar nicht gross etwas beitragen!" Aber oft ist genau dies eben das Wichtigste: dass wir uns gegenseitig zuhören und uns all die Dinge erzählen können, die wir auf dem Herzen haben.
Jesus ist uns da ein Vorbild. Er kommt auf dem Weg nach Emmaus nicht gleich mit Erklärungen und Lösungen. Er stellt sich erst einmal dumm – und handelt damit, so meine ich, ziemlich klug. Denn die Jünger dürfen erst einmal selber reden, sie dürfen von dem erzählen, was ihnen auf der Seele brennt. Jesus lässt sie reden und die schweren Erlebnisse bei ihm abladen. So wie er Menschen auch schon früher immer wieder gefragt hat: "Was soll ich dir tun? Was tut dir weh, was liegt dir auf dem Herzen?"
Wenn ich etwas loswerden kann bei einem anderen Menschen, dann geht es mir oft schon besser. Das ist der wichtige erste Schritt und meistens wird der schon als heilend und erlösend empfunden. Erst danach können vielleicht auch noch andere Schritte folgen, so wie beim Gespräch auf dem Weg nach Emmaus: Jesus erklärt und deutet, was geschehen ist. Auf manchen gemeinsamen Wegen gibt es auch solche Erklärungen oder vielleicht einen Tipp, wie es weiter gehen kann. Aber ich bin mir sicher: Solche Tipps kann nur jemand geben, der vorher wirklich gut zugehört hat; der wahrgenommen hat, was den anderen wirklich bedrückt.
Wenn Menschen so miteinander reden und vor allem einander zuhören, dann, so glaube ich, passiert etwas, was damals auf dem Weg nach Emmaus auch geschehen ist: Dann lässt sich Ostern erleben, Auferstehung. Dann spüren wir: Nicht nur ein anderer Mensch ist mit mir unterwegs, auch Gott ist mit dabei. Er lebt. Er spricht durch Menschen, die an meiner Seite sind, die Schweres mit mir aushalten, die mit mir meinen Weg gehen.
Gabi Suhner
Hier finden Sie die Predigt mit den Fürbitten zum Ausdrucken...
3. Ostersonntag - Fürbitten
Wir können nicht genau verstehen, was am Ostermorgen in Jerusalem passiert ist, und wie es passiert ist. Wir müssen es auch nicht verstehen. Gott will nicht verstanden, Gott will geliebt werden. Und wer sich von Gott verlassen fühlt – so wie in diesen Tagen viele Menschen – dem hilft es nicht, wenn andere Gott erklären. Gott will nicht erklärt werden, Gott will angebetet werden. Anbetung ist Hoffnung. Wir beten du dem, der versprochen hat: "Ich bin bei euch." Und wir beten wie die Emmausjünger: "Bleibe bei uns!" Geh nicht auf Abstand zu deiner Welt! Geh nicht weiter! Bleibe unser Gast, denn es will Abend werden. Bleibe bei uns und bei deiner ganzen Welt:
Bleibe bei den Alten, Kranken und Gefährdeten. Bleibe bei denen, die mit dem Tod ringen. Bleibe bei den Hoffnungslosen und Ratlosen, die auf einen Engel hoffen, der sie aufrichtet!
Bleibe bei den Einsamen, die jetzt noch einsamer sind, und bleibe bei den Ängstlichen, die jetzt noch ängstlicher sind!
Bleibe bei denen, die Gott nicht verstehen, denen die Kraft zu glauben fehlt. Bleibe bei denen, die nach neuen Worten und Wegen suchen, um das Geheimnis Gottes zu bezeugen!
Bleibe bei denen, die uns Zuversicht schenken in dieser Zeit, bei denen, die uns in schweren Tagen aufmuntern und zum Lächeln bringen!
Bleibe bei den Kindern und allen, die fragen: Wie lange noch?
Ja, Gott, bleibe du unsere Hoffnung. Damit wir uns bald wieder umarmen und einander so nahe sein können, wie es unseren Seelen guttut. Bleibe bei uns, Gott, deine Nähe ist unsere Hoffnung:
Vater unser im Himmel…
2. Ostersonntag, 19. April 2020
1. Lesung: Apostelgeschichte 2, 42 – 47
2. Lesung: 1 Petrus 1, 3 – 9
Evangelium: Joh 20, 19 – 31
Wer einmal einen Spitznamen bekommen hat, der wird ihn so schnell nicht wieder los. So ist auch die Hauptfigur aus dem heutigen Evangelium als "ungläubiger Thomas" in die Frömmigkeitsgeschichte eingegangen. Ich meine aber, damit tun wir ihm eigentlich unrecht. Sicher: Man kann von ihm sagen, dass er eigenwillig, dass er skeptisch und kritisch ist, aber un-gläubig, das ist er darum noch lange nicht! Ich nenne ihn darum lieber den "zweifelnden Thomas".
Ich mag ihn, diesen Thomas, und er steht mir viel näher als mancher von den anderen Aposteln, die grosse Worte gemacht und dann doch so kläglich versagt haben. Sind nicht auch sie – wenn schon – ungläubig gewesen, als ihnen – halt von Frauen – die Botschaft vom leeren Grab überbracht wurde? "Die Apostel hielten alles für leeres Geschwätz und glaubten ihnen nicht", heisst es im Lukas-Evangelium.
Ja, er ist mir sympathisch, dieser Thomas, und es sind v.a. zwei Züge an ihm, die ihn in meinen Augen so menschlich und dem modernen Menschen von heute sehr ähnlich machen.
Zuerst erfahren wir von ihm, dass er nicht dabei war, als Jesus zum ersten Mal zu den anderen Jüngerinnen und Jüngern kam. Ängstlich und verzweifelt – so kann man das Häuflein beschreiben, das sich hinter fest verschlossenen Türen zusammengetan hatte. Und das ist ja auch verständlich. Wer verstört ist und aus der Bahn geworfen, der braucht Trost und Nähe, der braucht Menschen, bei denen er sich anlehnen und aussprechen kann. Geteiltes Leid ist halbes Leid!
Thomas denkt nicht so. Er ist eher ein Einzelgänger und Einzelkämpfer. Er verarbeitet den Schock des Karfreitags lieber mit sich selber. Als die anderen miteinander sprechen – über ihre Trauer, aber auch über die neusten, unglaublichen Nachrichten der Frauen vom offenbar leeren Grab –, da ist er nicht dabei. Vielleicht denkt er sich, genauso wie viele Menschen heute: Wie es bei mir da drinnen aussieht, geht niemanden etwas an, das ist meine Sache, da kann mir niemand helfen.
Den zweiten Zug des modernen Menschen sehen wir im Evangelium noch deutlicher: Thomas will nicht aus zweiter Hand glauben. Er akzeptiert nicht einfach, was die anderen ihm erzählen. Er will selbst sehen, selbst fühlen, selbst be-greifen: hand-greiflich, hautnah.
Kennen wir das nicht auch? Aus Gesprächen mit Kollegen, aus Diskussionen mit unseren Kindern oder von Jugendlichen mit ihren Eltern? Oder aber als Frage tief in uns drinnen? Ich möchte ja glauben – aber da sind so viele Fragen, so viele Zweifel! Da ist so vieles, das ich nicht verstehe, so vieles verschüttet und verhärtet. Da ist so vieles, das mich ärgert, auch an der Kirche. Wie nah steht mir da dieser Thomas, der nicht einfach nach dem Hörensagen glauben kann und will, sondern nur aufgrund von eigenen Erfahrungen: "Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe… und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht."
Hinter dem Wunsch, seinen Finger in die Wunde von Jesus zu legen, entdecke ich aber noch ein zweites Problem von Thomas. Jesus hat unsäglich gelitten – genauso wie viele andere Menschen auch. Soll das alles nichts sein? Wie weggeblasen und vergessen durch die Auferstehung?
Ich denke, Thomas stellt auch diese Frage stellvertretend für viele, v.a. für all jene, die drohen, unter der Last ihres Leids zusammenzubrechen, die an den vielfältigen Wunden in der Welt und in ihrem persönlichen Leben leiden; Wunden, die da heissen: weltweite Pandemie mit all ihren Folgen, unheilbare Krankheit, Arbeitslosigkeit, Kriegselend, Gewalt, Ausbeutung von Mensch und Natur. Sind all diese Leiden nicht Grund genug für ernsthafte Zweifel und Fragen? Spricht dies alles nicht gegen den Osterglauben, gegen die Botschaft vom neuen Leben?
Thomas verlangt, die Spuren des Leids am Auferstandenen sehen zu können. Denn was am Kreuz passiert ist, das kann doch niemand ungeschehen machen, auch Gott nicht! Gott muss ihm bestätigen, dass sein Leiden einen Sinn hat, auch wenn er's nicht begreifen kann. Und so kann Thomas in dem Moment, in dem Jesus ihm seine Wundmale zeigt, bekennen: "Mein Herr und mein Gott!" Er anerkennt Gott in dem Jesus, der auch als der Auferstandene die Zeichen des Leidens und des Todes nicht einfach abschüttelt, sondern sie mit hineinnimmt ins neue Leben. Sein Lebenswerk, alles, was er gesagt und getan hat, bleibt gültig – über den Tod hinaus. Sein Leben und sein Leiden und Sterben ist angenommen und aufgehoben in Gott.
Das Verhalten von Thomas zeigt, dass zu einem reifen Glauben kommt, wer den Zweifel nicht verleugnet, sondern im Gegenteil ihn zulässt und sich ihm aussetzt. Es zeigt auch, dass wir alle den Glauben nicht einfach ein für allemal besitzen, sondern immer wieder neu suchen und um ihn ringen müssen. So können Fragen und Zweifel nicht nur Hindernis, sondern auch Weg sein zum Glauben, vorausgesetzt, wir sind offen für die Begegnung mit Christus und mit der Glaubensgemeinschaft. Denn hier, in der Gemeinschaft der Glaubenden, können wir unseren Glauben nähren, vertiefen und feiern, um ihn dann im Alltag leben und bezeugen zu können.
Den Spitznamen "Ungläubiger, Zweifler" wird Thomas wohl nicht mehr los. Aber dieser bezeichnet ja nur den Weg, und nicht das Ziel. Am Ende des Weges steht ein Glaube, wie ich ihn jedem und jeder von uns nur wünschen möchte. Und gebe Gott, dass wir möglichst bald diesen Glauben wieder MITEINANDER in unserer Gottesdienstgemeinschaft feiern und nähren dürfen!
Gabi Suhner
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2. Ostersonntag - Fürbitten
Fürbitten:
Wir sind heute verbunden mit vielen Menschen, die ein Gebet sprechen. Wir rufen dich an, Gott, unser Vater, unsere Mutter:
Wir denken an die schwierigen Abwägungen, Beschränkungen zu lockern: Hilf denen, die Zahlen analysieren und Entscheidungen treffen, kluge Wege zu öffnen.
Wir denken an die vielen ungeduldig wartenden Menschen: Hilf ihnen, liebevoll und vorsichtig mit neuen Freiheiten umzugehen.
Wir denken an die bedrohten Menschen in Krisengebieten und Flüchtlingslagern: Hilf uns, nicht nur die eigene angespannte Situation zu sehen, sondern Solidarität zu üben.
Wir denken an die einsamen und verlassenen Menschen: Hilf ihnen, den Mut nicht zu verlieren.
Viele Gedanken kommen nicht zur Ruhe. Gewohnt, über allen Dingen zu stehen, fürchten wir, unter die Räder zu kommen. Schenke uns den Mut der Apostel, die Kraft der Gemeinschaft und ein Herz voller Gebete: Vater unser im Himmel…